Off-Label-Use
Medikamente und Behandlungsmethoden auf dem Prüfstand
In manchen Fällen reichen herkömmliche Behandlungsmethoden und Medikamente nicht aus. Der MD Bayern prüft, ob dann die Anwendung eines Medikamentes oder einer Behandlung außerhalb der Zulassung medizinisch sicher und sinnvoll ist.
Für Arzneimittel gelten strenge Regeln. Jedes Arzneimittel, das in Deutschland in einer Apotheke gekauft werden kann, muss von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA), vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) geprüft und zugelassen sein. In manchen Fällen wird ein Präparat oder eine Behandlung für ein anderes Krankheitsbild oder in einer anderen Dosierung oder Anwendungsform verordnet als dies in der Zulassung vorgesehen ist. Dann spricht man von einem „Off-Label-Use“. Ein Arzneimittel wird also für eine Indikation eingesetzt, die im Beipackzettel nicht auftaucht.
Die gesetzlichen Krankenkassen sind nur in bestimmten Ausnahmesituationen verpflichtet, die Kosten für Medikamente und Behandlungen im „Off-Label-Use“ zu übernehmen. Sie können den MD Bayern in solchen Fällen mit einem Gutachten beauftragen. Die Gutachterinnen und Gutachter überprüfen, ob die Anwendung eines Medikamentes oder einer Behandlung außerhalb der Zulassung gerechtfertigt ist.
Besonders häufig werden Medikamente „Off Label“ in der Behandlung von Krebspatienten verwendet. Die wichtigsten Gründe für den „Off-Label-Use“ in der Onkologie sind:
- die medizinischen Erkenntnisse entwickeln sich sehr schnell
- die Anwendungsgebiete der Krebspräparate werden immer enger gefasst und lassen Ärzten kaum Handlungsspielraum
- die Zulassung bzw. Zulassungserweiterung eines neuen Krebsmedikaments erfordert wissenschaftliche Studien zu Nutzen und Risiken; sie ist daher teuer und dauert lang.
Experten schätzen, dass über die Hälfte der Patienten in der Onkologie heute „Off-Label“ behandelt werden. Damit ist der MD oft gefragt, wenn es um die Verwendung von Arzneimitteln außerhalb ihrer Zulassung geht.
Der Arzt muss einen möglichen „Off-Label-Use“ ausführlich mit dem Patienten besprechen und braucht seine Zustimmung. Er muss zum Beispiel darüber aufklären, dass die Wirkungen und Nebenwirkungen bei einem „Off-Label-Use“ noch nicht ausreichend geprüft sind. Der Arzt stellt den Antrag auf „Off-Label-Use“ bei der Krankenkasse des Patienten.
Wichtig: Die gesetzlichen Krankenkassen sind nur in bestimmten Ausnahmesituationen verpflichtet, die Kosten für Medikamente und Behandlungen im „Off-Label-Use“ zu übernehmen.
Um zu überprüfen, ob die Anwendung eines Medikamentes oder einer Behandlung außerhalb der Zulassung gerechtfertigt ist, können Krankenkassen den MD Bayern beauftragen. Der MD Bayern prüft die Voraussetzungen, die von Seiten des Bundessozialgerichts und Bundesverfassungsgerichts festgelegt wurden:
- Das Medikament wird zur Behandlung einer lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden Krankheit eingesetzt.
- Für diese Krankheit gibt es keine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung.
- Es gibt sichere Belege und Hinweise dafür, dass mit dem Medikament oder Verfahren ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.
Durch das sogenannte Nikolaus-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 wurden die Kriterien ausgeweitet. Danach gilt zusätzlich der Grundsatz:
Je lebensbedrohlicher die konkrete Erkrankungssituation ist, umso geringer können die Anforderungen sein, um ein Medikament „Off-Label“ einzusetzen.
Um diese Kriterien und damit den Nutzen für den Patienten zu prüfen, müssen die Gutachter des MD Bayern immer auf dem neuesten Stand der Wissenschaft und klinischen Forschung sein. Für die Begutachtung ziehen die Experten des MD Bayern Entscheidungen der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sowie aktuelle wissenschaftliche Studien heran.
Zur fachlich-wissenschaftlichen Beurteilung der „Off-Label“ Thematik hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Expertengruppen eingesetzt. Sie haben ihren Sitz beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Sie prüfen im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), in welchen Fällen ein zugelassenes Arzneimittel bei der Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden kann, obwohl es für diese Erkrankung (noch) keine Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz hat.
Eine Übersicht aller Arzneimittel, über deren „Off-Label-Use“ der G-BA bereits entschieden hat, finden Sie in der Anlage VI der Arzneimittel-Richtlinie. Je nach Ergebnis der Empfehlungen der Expertengruppe wird der Wirkstoff hier als im Off-Label-Use „verordnungsfähig“ (Teil A der Anlage) oder als „nicht verordnungsfähig“ (Teil B) eingestuft. In Teil A finden sich zu jedem dort gelisteten Wirkstoff detaillierte Angaben, für welche Patientengruppen bei welcher Indikation und in welcher Dosierung und Anwendungsdauer der Off-Label-Use verordnungsfähig ist und welches pharmazeutische Unternehmen dem Off-Label Einsatz seines Arzneimittels zugestimmt und eine entsprechende Haftungsübernahme abgegeben hat.
Die SEG 7 hat die Begutachtungsanleitung Außervertragliche Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) fachlich erarbeitet. Diese Anleitung ist ein wichtiges Werkzeug und gleichzeitig eine verbindliche Richtschnur für die MD bei der Begutachtung von Neuen Methoden.
Die Sozialmedizinische Expertengruppe Methoden- und Produktbewertung (SEG 7, Link) ist eine gemeinsame Expertengruppe der Medizinischen Dienste und des Medizinischen Dienstes Bund.